Als zweites Kind und erste Tochter der wohlhabenden und einflussreichen Familie Staffort geboren, hatte Evolet schon immer ein recht leichtes Leben. Um grundlegende Dinge, wie ein Dach über dem Kopf, ein Bett, Nahrung oder Sicherheit musste sie sich nie irgendwelche Gedanken machen, daher konnte sie sich auf andere Dinge konzentrieren. Da sie bereits einen großen Bruder hatte, wurde ihr Geschlecht ihr nie als Nachteil ausgelegt, ihre Eltern liebten und verwöhnten sie. Und das junge Mädchen merkte schnell, dass die Welt ihr wohlgesonnen war, wenn sie an den richtigen Fäden zog. Der richtige Blick aus den Rehaugen, ein zartes Lächeln, ein wenig gespielte Verschämtheit, ein glockenhelles Lachen. Es war so einfach, die Leute zu begeistern, und die Herzen flogen ihr zu, denn es gab wenig anderes, was von ihr erwartet wurde. Natürlich genoss auch sie eine Ausbildung. Lesen, Rechnen, Schreiben, die Grundlagen des Handels, aber auch eines Haushalts, den sie als Hausfrau irgendwann einmal führen musste. Sie kann eine Harfe spielen, Reiten und spricht sogar ein wenig Zwergisch (Ihr Vater hatte lange einen zwergischen Angestellten), und weiß sehr gut, wie sie sich in einer gehobenen Gesellschaft zu benehmen hat. Das alles hat sie von Kindesbeinen an von Privatlehrern und Kindermädchen gelernt. Schon immer hat sie sich auch für die Menschen um sich herum interessiert. Wie ihre Leben wohl waren, vor allem aber, was es dort zu erleben gab, denn die relativ behütete Welt ihres Elternhauses kam ihr schnell zu eng und beschützt vor, auch wenn sie nicht eingesperrt war und die anständigen Teile der Stadt durchaus auch erleben konnte. Dennoch, nicht wie das wahre Leben, so dreckig es dort draußen auch sein mochte. Evolet wollte schon immer mehr von der Welt sehen, auch wenn die ihre auf Novigrad beschränkt war, denn ihr Vater nahm sie nur sehr selten mit auf eine Reise, im Gegensatz zu ihrem Bruder.

Evolet war nie eine Rebellin, aber sie fühlte sich in der gehobenen Gesellschaft wohl, tanzte und feierte gerne, wobei sie sich aber immer über ihre Wirkung im Klaren war und nie wirklich ernsthaft über die Stränge schlug. Sie beobachtete gerne, kam gerne mal ins Gespräch und lernte viel, interessierte sich für andere Länder und Kulturen, von denen sie sich gerne berichten ließ oder selber etwas las, da sie wohl kaum jemals viel von diesem Kontinent sehen würde. Auch das andere Geschlecht wurde interessant, sie hatte nie ein Problem, sich mit Jungs zu unterhalten, aber es brauchte natürlich den Segen ihrer Eltern, bevor sie einen Mann als würdig empfinden durfte, auch wenn sie mehr als einen auch schon vorher interessant fand. Die Aufmerksamkeit genoss sie allerdings sehr. Zu ihrem Glück hatten die Eltern keinen Druck bei der Suche, denn der Bruder war ja bereits da, daher wurde Evolet 18 Jahre, bevor sie einem etwas älteren, aber dafür umso wohlhabenderen Sohn eines Händlers versprochen wurde.

Das Leben der Händlerstochter verlief, bis auf ein paar kleinere, vernachlässigbare, Ausreißer, eigentlich sehr geradelienig. Mit ihren Eltern und Geschwistern verstand sie sich schon immer gut, sie kennt sich in der Stadt aus, man mag sie, sie ist verheiratet, sie weiß, wie die Welt läuft. Was will sie also mehr? Die große, weite Welt reizte sie durchaus schon immer, und sie hatte auch immer das Gefühl, dass sie etwas verpassen könnte (daher besucht sie auch beispielsweise das neu eröffnete Badehaus), aber während die Ehe mit ihrem Mann zu Anfang recht harmonisch verlief und sie ihn sogar mochte, kühlte das Verhältnis in den letzten zwei Jahren doch sehr stark ab. Das liegt vor allem an der simplen Tatsache, dass sich in der mittlerweile schon einige Jahre vollzogenen Ehe noch kein Nachwuchs eingestellt hat, und so langsam lässt sich das Thema nicht mehr totschweigen. Das ist ein großes Problem, das ihre Ehe und damit ihren Stand und Wohlstand gefährdet, und nachdem die junge Frau viele Dinge ausprobiert hat, von Kräuerweibern über Gebete zu dem Zählen der Mondtage, probiert hat, gelangte sie endlich zu jemandem, der ihr wirklich helfen konnte. Das behauptete der angebliche Zauberer zumindest, und er verlangte nur wenige Münzen für seinen Aufwand, dazu noch ein paar Edelsteine als 'Fokus'.

Seit nunmehr fast einem Jahr ist Evolet daher regelmäßig bei Sitzungen mit dem Mann, auch andere wichtige Bürger, Handwerker und Soldaten der Stadt sieht man bei ihm. An mystischen Orten trifft man sich, spricht okkulte Worte und tut seltsame Dinge, einmal hat man sogar ein Huhn geopfert. Immer in der Hoffnung, dass die Wünsche erhört werden und man bekommt, was man sich erhofft. Evolet ist ein glühendes Mitglied dieser Gruppe und eine echte Gläubige, wenn es um diesen 'Kult' und seinen Anführer geht, leider weiß niemand, dass der gute Mann ein Hochstapler ist, der den Bürgern nur das Geld aus der Tasche ziehen will. Zudem hat man vor einiger Zeit in einer Sitzung in einem dunklen Wald ein seltsames Geräusch gehört. Seitdem sieht Evolet unnatürliche Schatten in ihrer Nähe, und sie kann nicht sagen, woher diese kommen. Ob man wohl aus Versehen irgendetwas beschworen hat?